Björn Thümler MdL
Björn Thümler MdL, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion

VW-Abgasaffäre: Weil ist Chef-Schönredner statt Chef-Aufklärer

13. April 2016

Erwiderung des Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion Björn Thümler auf die Unterrichtung des Ministerpräsidenten zu Volkswagen

Es gilt das gesprochene Wort!

Angesichts der Herausforderungen, vor denen Volkswagen steht, ist das Bild, das die Konzernführung und der Aufsichtsrat derzeit abgeben, desaströs. Man hat inzwischen schon große Mühe, alle Konfliktherde und Streitigkeiten im Konzern zu überblicken. Und es geht dabei beileibe nicht nur um die Folgen der Abgasaffäre.
Als jemand, dem das Wohlergehen von Volkswagen und seiner ausgezeichneten Mitarbeiter am Herzen liegt, frage ich mich: Muss man das alles so einfach hinnehmen?

So gut und notwendig es ist, dass sich die Arbeitnehmervertreter aktiv in die Veränderungsprozesse einbringen, so wenig Verständnis habe ich für die Tonlage, in der der Streit zwischen dem Betriebsrat und dem VW-Markenvorstand in den letzten Tagen öffentlich ausgetragen wurde.

Facebook

Mit dem Laden des Beitrags akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Facebook.
Mehr erfahren

Beitrag laden

Ich frage mich:

Wo ist in diesem Konzern nach dem Rücktritt von Ferdinand Piëch die ordnende Hand
Wer verfügt in den verschiedenen Gremien von Volkwagen über das notwendige Maß an persönlicher Autorität und Integrität, um die unterschiedlichen Streithähne dezent, diskret und frühzeitig zur Ordnung zu rufen?

Was tut eigentlich der Großaktionär Niedersachsen, um Schaden von Volkswagen abzuwenden?

Der Ministerpräsident und sein Wirtschaftsminister wissen ansonsten immer ganz genau, was konkret zu unternehmen ist. Bestes aktuelles Beispiel dafür ist der Fall Wiesenhof in Lohne. Dort aber, wo Sie selbst unternehmerische Verantwortung tragen – wie bei Volkswagen seit nunmehr drei Jahren – da tauchen Sie ab. Sie sollten sich selbst einmal fragen, woran das liegt. Und auch heute haben wir es wieder erlebt, ihre Erklärung ist um keinen Millimeter über Zeitungswissen hinausgegangen.

Ich will ja gar nicht in Abrede stellen, dass Sie hier einen schwierigen Spagat zu bewältigen haben: Sie haben einerseits Informationspflichten, andererseits auch Verschwiegenheitspflichten mit Blick auf die im Rahmen Ihrer Aufsichtsratstätigkeit gewonnenen Informationen.

Davon unberührt bleiben jedoch Ihr Agieren im Aufsichtsrat und die Einbindung in die internen Abläufe von Aufsichtsrat und Vorstand. Sie können sich nicht in der Boni-Debatte einfach einen schlanken Fuß machen, da auch und vor allem der Aufsichtsrat dafür die Verantwortung trägt.

Und wenn man den Verlauf nicht nur dieser, sondern auch anderer aktueller Debatten rund um VW verfolgt, dann drängt sich der Eindruck auf: Die Mitglieder der Landesregierung im Aufsichtsrat von Volkswagen sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems! Wo ist denn die Strategie des Landes?

Es kann jedenfalls nicht sein, dass der neue VW-Personalvorstand Karl-Heinz Blessing, den ich im Übrigen persönlich schätze, zwischen dem Betriebsrat einerseits und dem VW-Markenvorstand andererseits vermitteln muss. Das wäre doch auch die Aufgabe des Aufsichtsrats, Herr Weil!

Verlassen Sie endlich den bequemen Platz auf der Ersatzbank. Greifen Sie endlich aktiv ins Spielgeschehen ein. Nehmen Sie sich dabei ein Vorbild an Christian Wulff, der sich seiner besonderen Verantwortung für VW in der Übernahmeschlacht mit Porsche jederzeit bewusst war und auch entsprechend mutig gehandelt hat. Vor allem hatte er einen Plan und eine Strategie – eine Vorstellung, wie es werden muss.

Die Lage für Volkswagen gegenwärtig ist keineswegs einfacher als im Herbst letzten Jahres. Damals haben Sie, Herr Weil, die Teilnahme an der Delegationsreise nach Südafrika abgesagt.

Angesichts der vielen ungeklärten Fragen vor der VW-Aufsichtsratssitzung am 22. April und der VW-Hauptversammlung am 28. April hätte die Öffentlichkeit sicher viel Verständnis dafür, wenn Sie im Fall der geplanten Iran-Reise ähnlich verfahren würden!

VW steht vor entscheidenden Weichenstellungen, die nicht ohne Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Niedersachsen und nicht ohne Folgen für den Landeshaushalt bleiben werden.

Wer in einer solchen Lage zulässt, dass sein Umweltminister und stellvertretender Ministerpräsident mit Plänen einer stärkeren Dieselbesteuerung öffentlichkeitswirksam um die Ecke kommt, der hat den Ernst der Lage offenbar noch immer nicht begriffen! Fakt ist:

Die Arbeitsagentur verzeichnet schon jetzt mehr Kurzarbeit bei VW-Zulieferern in der Region Braunschweig-Wolfsburg-Helmstedt. Die Gewerbesteuerausfälle treffen die VW-Standortkommunen schon jetzt mit voller Wucht.

Im März wurde bekannt, dass VW Emden die Ende Mai auslaufenden Verträge von 250 Leiharbeitern nicht verlängern wird. Zudem halten sich hartnäckige Gerüchte über einen weiteren Stellenabbau im Emder VW-Werk. Der absehbare Totalausfall der Dividende belastet über die Hann BG auch den Landeshaushalt.

Einbußen drohen auch bei der Forschungsförderung der VW-Stiftung. Zusätzliches Störfeuer kommt aus Brüssel, wo ein Untersuchungsausschuss unter maßgeblicher Beteiligung eines SPD-Europaabgeordneten aus Ostfriesland eingerichtet wurde.

Aus meiner Sicht gilt mehr denn je, was Volker Müller von den Unternehmerverbänden Niedersachsen bereits im letzten Herbst zu Recht angemahnt hat: Ich zitiere nachfolgend aus der HAZ vom 2. Oktober 2015:

„Bei aller notwendigen und richtigen Aufklärung des Skandals: Das Unternehmen muss als wichtiger Faktor unserer Wirtschaft unterstützt werden“(…)
Die Landesregierung dürfe sich in diesen Tagen „nicht nur in die Ecke der Kritiker stellen“, sondern müsse sich ihrer Verantwortung als Eigentümer bewusst sein.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Sie sind im Laufe der VW-Abgasaffäre vom selbsternannten Chefaufklärer immer mehr zum Chef-Schönredner der Krise mutiert. Die Zeit der Ausreden und Ausflüchte in Sachen VW ist nun jedoch endgültig vorbei. Werden Sie sich Ihrer besonderen Verantwortung für Volkswagen und Niedersachsen endlich bewusst!

Es waren die CDU-geführten Landesregierungen von Christian Wulff und David McAllister, die gemeinsam mit der Bundeskanzlerin die unfairen Angriffe auf das VW-Gesetz abgewehrt haben. In der jetzigen Situation ist ein ähnlicher Kraftakt gefordert.

Zumindest auf die CDU-Landtagsfraktion können die Beschäftigten von Volkswagen auch zukünftig hundertprozentig zählen!