McAllister im Handesblatt-Interview: „Industriepolitik ist die Domäne der CDU“

17. Oktober 2011

Ministerpräsident David McAllister MdL

In einem Interview mit dem Handelsblatt spricht sich Niedersachsen Ministerpräsident David McAllister für Staatsbeteiligungen aus. In der Euro-Krise rät er Deutschland zu mehr Investitionen. Angesprochen auf Volkswagen erklärte McAllister, dass er neben den betriebswirtschaftlichen Belangen darauf achte, dass Volkswagen seine niedersächsischen Wurzeln pflegt. Weiterhin kündigte der Miniterpräsident an, Niedersachsen werde im Januar ein eigenes Energiekonzept beschließen: „Um die Ziele der Energiewende bis 2022 verbindlich zu erreichen, brauchen wir bundesweit einen Masterplan und ein strenges Controlling der jeweils erreichten Fortschritte.“ Das Land plane dabei Rahmen seiner Möglichkeiten weiter mit Hochdruck. Erdkabel sollen dort angeordnet werden, wo der gesetzliche Mindestabstand zu Wohngegenden nicht gewahrt wird.  


Das Interview im Wortlaut: „Industriepolitik ist die Domäne der CDU“ Als „überzeugter Industriepolitiker“ spricht sich Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) für Staatsbeteiligungen aus. In der Euro-Krise rät er Deutschland zu mehr Investitionen. Herr Ministerpräsident, gehören Staatsunternehmen zu Ihrer wirtschaftspolitischen Philosophie? McAllister: Die Beteiligungen an Volkswagen, Salzgitter, der Deutschen Messe und der NordLB tragen zur starken Position Niedersachsens in der Welt bei. Sie sind und bleiben wichtige Pfeiler unserer Wirtschaftspolitik. Das Land plant keine neuen Beteiligungen an Industrieunternehmen. Egal, was passiert, Niedersachsen bleibt Ankeraktionär bei VW? Solange ich Ministerpräsident bin, wird das Land immer mehr als 20 Prozent der Aktien an Volkswagen halten. Das klingt nach Industriepolitik à la SPD und Gerhard Schröder. Industriepolitik ist eine Domäne von uns Christdemokraten. Ich bin überzeugt, dass Deutschland besser als andere Staaten durch die Krise gekommen ist, weil wir eine breite industrielle Basis haben. Diese Basis müssen wir halten und weiter ausbauen. Andere Staaten wie Großbritannien bedauern doch, in den 80er- und 90er-Jahren Teile ihrer Industrie aufgegeben zu haben. Muss da gleich der Staat beteiligt sein? Nein, es ist aber auch kein Hindernis. Wir sind stolz darauf, dass Niedersachsen die Heimat des größten deutschen Unternehmens ist. VW beschäftigt hier in sechs Werken gut 100.000 Menschen. Bis Ende 2016 investiert der Konzern allein in Niedersachsen 17,1 Milliarden Euro. Das sichert Arbeitsplätze. Und das soll auch so bleiben. Würde sich die Unternehmensstrategie mit anderen Aktionären ändern? Neben den betriebswirtschaftlichen Belangen achte ich darauf, dass Volkswagen seine niedersächsischen Wurzeln pflegt. Ungeachtet dessen unterstütze ich den Vorstand dabei, bis 2018 die Nummer eins auf dem Weltmarkt zu werden – und zwar ökonomisch wie ökologisch. Das alles muss kein Widerspruch sein. Ich bin ein überzeugter Industriepolitiker. Sorgt Sie die Entwicklung bei VW nicht? Immerhin fordern institutionelle Anleger mehr als eine Milliarde Euro Schadensersatz von Porsche und Volkswagen, weil sie sich getäuscht sehen. Die Landesregierung hält wie alle anderen Beteiligten am Ziel fest, den integrierten Automobilkonzern von Volkswagen und Porsche zu schaffen. So bin ich weiterhin überzeugt, dass dieses Vorhaben gelingen wird. Und seien Sie sicher, dass Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch sich auf alle Eventualitäten vorbereitet hat. Sie halten einen engen Draht zu den Arbeitnehmervertretern. Warum? Das ist doch selbstverständlich. Eine stabile Sozialpartnerschaft ist ganz wichtig für den Wirtschaftsstandort. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit sorgt eben auch dafür, dass unsere Wirtschaft besser dasteht als anderswo. Der Begriff Kurzarbeit ist nicht ohne Grund weltweit wie Kindergarten zum stehenden Begriff geworden. Die Kurzarbeit ist Ausdruck intelligenter Sozialpartnerschaft. Bundespräsident Wulff hat kürzlich einen klugen Satz gesagt: „Die Arbeitnehmer haben Maß gehalten, wo andere jegliches Maß verloren haben.“ Gefährden die Krise der Finanzmärkte und des Euros die industrielle Basis? Ungeachtet der Probleme an den Finanzmärkten müssen wir die Industrie weiter unterstützen. Nur wenn wir dafür sorgen, dass der Standort Deutschland attraktiv bleibt, kommen wir auch gut durch diese Turbulenzen. Dazu gehört, die Infrastruktur weiter auszubauen, den Fachkräftebedarf sowie die Rohstoffversorgung zu sichern und die Energiewende mit Augenmaß umzusetzen. Dies alles sind Themen, bei denen sich der Bund nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Allein für die Infrastruktur fehlt das Geld, um etwa Straßen und die Anbindung der Häfen ans Hinterland zu sichern… …während wir als Land Niedersachsen bis 2013 allein eine Milliarde Euro in den Ausbau der Häfen an der Nordsee investieren. Wir bauen diese zentralen Warenumschlagsplätze aus wirtschaftspolitischer Verantwortung für Deutschland aus. Deshalb erwarten wir vom Bund, dass er seinen angekündigten Beitrag zum weiteren Ausbau der Hafenhinterlandanbindungen leistet. Der Bundesverkehrsminister macht keinen Hehl daraus, dass er lieber Geld in seine bayerische Heimat umlenkt. Peter Ramsauer kennt die Bedeutung des Nordens. Wir haben eine festgelegte Landesquote für die jährlichen Infrastrukturmittel. Wir werden darauf achten, dass dies auch in Zukunft gilt. Es bringt doch nichts, die Häfen auszubauen, wenn die Lkws oder Züge 50 Kilometer später im Stau stehen. Deshalb muss der Bund klären, wie er die finanziellen Prioritäten setzt. Auch bei der Umsetzung der Energiewende schweigt der Bund derzeit Der Bundesumwelt-, der Wirtschafts- und der Verkehrsminister sind gemeinsam gefordert. Wir als Land tun unser Möglichstes und werden im Januar ein eigenes Energiekonzept beschließen. Um die Ziele der Energiewende bis 2022 verbindlich zu erreichen, brauchen wir bundesweit einen Masterplan und ein strenges Controlling der jeweils erreichten Fortschritte. Mit jedem Monat sinkt die Wahrscheinlichkeit, den Zeitplan einzuhalten. Niedersachsen muss vor allem die Stromnetze ausbauen – gegen den Widerstand in der Bevölkerung. Wie kommen Sie voran? Wir planen im Rahmen unserer Möglichkeiten weiter mit Hochdruck. Erdkabel werden dort angeordnet, wo der gesetzliche Mindestabstand zu Wohngegenden nicht gewahrt wird. Die Bundesnetzagentur verhandelt derzeit die Renditen für Netzbetreiber. Könnte dies die Energiewende bremsen? Klar ist, die Mehrkosten für die Erdverkabelung müssen umgelegt werden. Die Kommunen sollten übrigens einen finanziellen Ausgleich erhalten, wenn sie durch Leitungen über Gebühr belastet werden. Die Rechnung zahlt der Stromkunde, zu denen auch die Industrie gehört. Der beschleunigte Ausstieg aus der Kernenergie war gesellschaftspolitischer Wille. Also werden wir alle gemeinsam die Mehrkosten zu tragen haben. Es war allen klar, dass es die Energiewende nicht zum Nulltarif gibt. Die Industrie zahlt schon heute die zweithöchsten Energiepreise in Europa. Darauf muss es eine Antwort geben. Um keine Arbeitsplätze zu gefährden, muss die Energiepreisentwicklung sorgfältig beobachtet werden. Die Energiewende darf nicht zur Deindustrialisierung Deutschlands führen. Quelle: Handelsblatt, 17. Oktober 2011 (www.handelsblatt.com) Das Interview führten Daniel Delhaes und Mark C. Schneider