Dr. Bernd Althusmann
Dr. Bernd Althusmann MdL (Foto: Tobias Koch)

„Deutschland braucht eine handlungsfähige CDU in der bürgerlichen Mitte“

18. Oktober 2021

Interview mit Bernd Althusmann, CDU-Präsidiumsmitglied und niedersächsischer Wirtschaftsminister im Interview mit der NWZ.

Das Interview führte Gernot Heller für die NWZ

Frage: Die Schuld an der Wahlniederlage der CDU wird häufig bei Armin Laschet als Kanzlerkandidat abgeladen. Fühlen sie sich auch mitschuldig?

Althusmann: Wir gewinnen gemeinsam, wir verlieren gemeinsam. Insofern haben wir dafür auch eine gemeinsame Verantwortung. Es ist aber zu kurz gesprungen, die alleinige Schuld für die Wahlniederlage bei Armin Laschet abzuladen. Klar ist, dass der Kandidat sowohl innerparteilich als auch bei den Wählern letztlich nicht überzeugt hat. Die Ursachen für dieses dramatische Ergebnis liegen sehr viel tiefer und reichen mindestens bis 2018 zurück. Seitdem ist die Partei gespalten zwischen denen, die eine Kurskorrektur nach 16 Jahren Angela Merkel wollten und denen, die diesen Weg nicht mitgehen wollten. 

Frage: Wieviel Zeit hat die CDU für die anstehende personelle Neuaufstellung? 

Althusmann: Deutschland braucht eine handlungsfähige CDU in der bürgerlichen Mitte. Daher müssen wir die Frage, wer künftig die Partei führt, so schnell wie möglich klären. Nach dem Gespräch mit den Kreisvorsitzenden Ende Oktober und dem Bundesvorstand Anfang November sollte es zu einem Sonderparteitag noch im Dezember, spätestens aber im Januar kommen. Ein gut durchdachter Übergang ist notwendig. 

Frage: In ihrer Partei gibt es Stimmen für eine Doppelspitze. Sie auch?  

Althusmann: Nein. Ich halte das für die CDU nicht für sinnvoll. Für unsere Partei ist eine Doppelspitze gerade in der aktuellen Phase keine geeignete Lösung, weil wir klare Verantwortlichkeiten brauchen. Im Übrigen haben andere Parteien mit einer Doppelspitze nicht ausschließlich gute Erfahrungen gemacht. 

Frage: Warum wird in den Diskussionen über Kandidaten für den Parteivorsitz derzeit keine Frau genannt?

Althusmann: Die Union hat in der Tat ein Übergewicht an männlichen Mitgliedern. Unsere Mitgliederstruktur stimmt zudem nicht mehr ausreichend mit den gesellschaftlichen Entwicklungen überein. Ich bin der Auffassung, dass die CDU sich sehr weit öffnen muss für junge, dynamische, aber auch für politisch erfahrene Frauen, die nicht die klassischen Wege durch die Partei durchlaufen haben. Es muss, das sage ich auch mit Blick auf Listenaufstellungen und Mandate, eine Selbstverständlichkeit sein, dass mehr Frauen in politische Ämter in der Partei kommen. Wir müssen in dieser Frage attraktiver werden und den Anteil an Frauen deutlich erhöhen. Das setzt aber nicht zwingend voraus, dass der Vorsitz jetzt eine Geschlechterfrage sein sollte. Die Frage der Führung der CDU wird sich wahrscheinlich, so das derzeitige Bild, wohl eher unter einer Reihe von Männern entscheiden. Aber warten wir es mal ab.

Frage: Wie sollten die CDU-Mitglieder bei der Entscheidung mitwirken? 

Althusmann: Ich befürworte eine Mitgliederbefragung. Man sollte hineinhören in die Basis, was sich die Mitglieder wünschen. Zudem ist es doch ein gutes Zeichen, wenn die Mitglieder sich verstärkt aktiv beteiligen wollen. Der Sonderparteitag sollte diesem Wunsch dann folgen. Stehen mehrere Kandidaten/Kandidatinnen zur Wahl, könnte man unsere Mitglieder auf digitalem Wege befragen. Würden wir uns dagegen auf einen Konsenskandidaten verständigen, was ich befürworte, würde sich dies erübrigen. 

Frage: Braucht es eigentlich auch eine Neuaufstellung des Verhältnisses von CDU und CSU? 

Althusmann: Das Verhältnis zwischen CDU und CSU ist derzeit stark belastet. Darüber wird zu sprechen sein. Geholfen hat uns jedenfalls das Verhalten der Schwesterpartei im Wahlkampf nicht. Wer so agiert wie die CSU, muss sich fragen lassen, welchen Anteil er selbst an der Wahlniederlage hat. Wir müssen zurückkehren zu einem gewissen „Team Spirit“. Wir werden uns auch nicht nur mit einem „Tut uns leid“ begnügen können. Es bedarf schon einer Zusammenkunft der Präsidien oder Vorstände beider Parteien, um den künftigen Umgang miteinander zu klären.

(Mit freundlicher Genehmigung: Gernot Heller für die NWZ)