dpa: McAllister fordert mehr Kompetenzen für Europaparlament
Frage: Herr McAllister, Kritiker monieren, das EU-Parlament sei zu schwach. Wie bewerten Sie die Kompetenzverteilung in der EU?
Antwort: Das Parlament – als einzig direkt gewählte demokratische Institution der EU -ist zwar im Vertrag von Lissabon gestärkt worden. Die CDU geht aber weiter: Wir wollen ein demokratisches Zwei-Kammer-System. Es soll gleichberechtigt aus dem Europäischen Parlament als direkt gewählter Kammer der Bürger und dem Ministerrat als Vertretung der Mitgliedsstaaten bestehen. Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, sollten beide Kammern neben der Kommission das Initiativrecht für die europäische Gesetzgebung erhalten.
Frage: Stichwort EU-Vertrag. Ist auch hier eine Reform notwendig?
Antwort: Die Europäische Union wird in den nächsten Jahren eine Reihe von grundsätzlichen Fragen zu beantworten haben, für die es heute noch keine Antworten gibt. Es geht darum, die EU handlungsfähig, demokratisch und transparent aufzustellen. Dafür brauchen wir auf lange Sicht Änderungen der EU-Verträge, weil die gegenwärtigen Regelungen nicht in allen Bereichen ausreichend sind.
Frage: Was meinen Sie damit konkret?
Antwort: Wenn etwa die Wirtschafts- und Währungsunion in der Eurozone vollendet werden soll, wird es eine noch engere Zusammenarbeit der Staaten geben. Das beginnt bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung bis hin zur Arbeitsmarktpolitik und betrifft ebenso Fragen der Bankenaufsicht und Bankenregulierung. Ziel muss es sein, Europa im globalen Wettbewerb zu stärken und wettbewerbsfähiger zu machen. Das ist die Voraussetzung für ein dauerhaft nachhaltiges Wachstum.
Frage: Müssen auch die Kompetenzen und die Aufgabenverteilungen in der EU neu organisiert werden?
Antwort: Ich möchte kein zentralistisch organisiertes und regiertes Europa. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip müssen jene Aufgaben nahe bei den Menschen erledigt werden, die von den Mitgliedsstaaten mit ihren Ländern, Regionen und Kommunen genauso gut oder besser als in Brüssel erfüllt werden können. In den vergangenen Jahren wurden immer mehr Aufgaben auf die Europäische Union verlagert. Das machte oft Sinn. Aber es gibt Bereiche, in denen das nicht notwendig ist. Deshalb muss es auch möglich sein, Aufgaben wieder zurückzuführen.
Frage: Derzeit hat die EU 28 Mitglieder. Erwarten Sie in den kommenden fünf Jahren eine Erweiterung?
Antwort: Nein. Serbien, Montenegro und die Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, haben offiziellen Kandidatenstatus. Aber keines dieser Länder wird bis 2019 in der Lage sein, alle Anforderungen zu erfüllen. Auch mit der Türkei laufen die Verhandlungen. Es gibt aber keinen Beitrittsautomatismus. Die CDU lehnt eine Vollmitgliedschaft ab, weil das Land die Voraussetzungen für einen EU-Beitritt nicht erfüllt. Angesichts der Größe der Türkei und ihrer Wirtschaftsstruktur wäre zudem die Europäische Union überfordert.
Frage: Wie bewerten sie den Umgang mit Flüchtlingen. Muss die EU nicht auch wegen der schrecklichen Ereignisse im Mittelmeer von einer Abschottung absehen?
Antwort: Die Ereignisse im Mittelmeer sind schrecklich. Für die EU gilt der Grundsatz der Humanität. Wer politisch verfolgt wird und schutzbedürftig ist, muss auch künftig auf die EU vertrauen können. Hierzu gehört selbstverständlich der Grundsatz der Nichtzurückweisung und die Pflicht zur Seenotrettung. Die Länder an den Außengrenzen der Europäischen Union sind mit einer großen Zahl von Flüchtlingen konfrontiert. Bei der Flüchtlingspolitik brauchen wir mehr Solidarität unter den Mitgliedstaaten.
Frage: Müssen aus ihrer Sicht die Grenzen nicht gelockert werden?
Antwort: Nein. Die Hilfe vor Ort muss verstärkt werden, damit wir die Ursachen der Flucht bekämpfen. Um die Außengrenzen zu sichern, sind wirksame Grenzkontrollen notwendig.