McAllister: „Die CDU macht Politik in nicht einfachen Zeiten“

4. August 2012

David McAllister

Nach Ansicht des niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister steht die Europäische Union derzeit „vor der größten Herausforderung seit Gründung in den 50er-Jahren“. Insofern mache die CDU „Politik in nicht einfachen Zeiten“. Zugleich zeigten jedoch die Umfragen, „dass die Bevölkerung in Deutschland eine hohe Meinung von der Bundeskanzlerin hat und dass sie die politische Führung sehr wohl zu schätzen weiß“, erklärte McAllister am Freitag in einem Interview im Deutschlandfunk. Lesen Sie hier das vollständige Interview: Deutschlandfunk: Guten Morgen, Herr McAllister! David McAllister: Schönen guten Morgen, Herr Meurer! Deutschlandfunk: Norbert Röttgen, Stefan Mappus – denken Sie manchmal an diese beiden Namen und Sie könnte selbst das gleiche Schicksal ereilen, die Wahl zu verlieren? McAllister: Das sind Kollegen, mit denen ich gemeinsam Politik gemacht habe. Natürlich denkt man auch gelegentlich an sie, aber ich konzentriere mich jetzt ganz auf die Landtagswahl am 20. Januar. Es sind noch fünfeinhalb Monate, und wir sind in Niedersachsen ganz optimistisch, dass wir das packen können. Deutschlandfunk: Wie fühlt sich das an, der letzte Hoffnungsträger der CDU zu sein? McAllister: Ich kann mit so einer Bezeichnung wenig anfangen. Ich hoffe, dass die CDU in Deutschland sehr viele Hoffnungsträger hat, und ich mache meine Arbeit in Niedersachsen. Deutschlandfunk: Aber es sind ja viele bekannte Namen sozusagen von Bord gegangen. Trübt das nicht die Stimmung? McAllister: Richtig ist, dass die CDU in den letzten zwei Jahren eine Reihe von namhaften Persönlichkeiten aus der Altersgeneration zwischen 40 und 50 verloren hat, allerdings aus den ganz unterschiedlichsten Gründen. Da kann man schlecht einen Trend herausarbeiten. Ich hoffe, dass wir in meiner Altersgruppe wieder einige mehr werden, und wir haben auch die Aufgabe, gute Politik in Bund und Ländern zu machen, und wir wünschen uns auch den Erfolg der Bundesregierung. Deutschlandfunk: Was auch immer der Trend oder die Gründe im Einzelnen waren – wie viel Kredit hat die CDU bundesweit verspielt in den letzten Jahren? McAllister: Die CDU macht Politik in nicht einfachen Zeiten. Sie führt die Bundesregierung und sie übernimmt in wichtigen Bundesländern politische Verantwortung. Die Zeiten sind nicht einfach: Die Europäische Union steht vor der größten Herausforderung seit Gründung in den 50er-Jahren. Und die Umfragen zeigen, dass die Bevölkerung in Deutschland eine hohe Meinung von der Bundeskanzlerin hat, dass sie die politische Führung sehr wohl zu schätzen weiß, und es wird unsere Aufgabe sein, diese gute Arbeit der Bundeskanzlerin und die gute Arbeit der Bundesregierung jetzt auch in konkrete Stimmen für die Union umzusetzen. Deutschlandfunk: Es folgen aber nicht mehr alle der Kanzlerin, sie hat keine Mehrheit mehr für ihre Europolitik im Bundestag. Wird die Eurokrise erst recht noch zur Zerreißprobe für ihre eigene Partei werden? McAllister: Ich teile nicht Ihre Auffassung, dass die Bundeskanzlerin keine Mehrheit für ihre Europolitik im Bundestag hat – im Gegenteil: Alle wichtigen Entscheidungen zur Europolitik sind ja getragen worden von CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne. Deutschlandfunk: Keine eigene Mehrheit, Herr McAllister. McAllister: Entscheidend ist, dass man politische Mehrheiten hat, und politische Mehrheiten hat die Bundesregierung, und zwar breite parlamentarische Mehrheiten, sowohl im Bundestag wie im Bundesrat. Und dass es bei einem solchen komplexen Thema auch einige unterschiedliche Auffassungen innerhalb einer Fraktion gibt, ist nichts Außergewöhnliches, und auch im internationalen Standard ebenfalls nicht unüblich. Deutschlandfunk: Unterschiedliche Auffassungen in einer Schicksalsfrage? Das ist doch keine Kleinigkeit. McAllister: Es sind einige wenige Kollegen von CDU/CSU und FDP, die eine andere Meinung vertreten als die Bundesregierung. Die überwältigende Mehrheit der beiden Koalitionsfraktionen unterstützt die Politik der Bundesregierung, und darüber hinaus hat sie auch die Unterstützung der beiden Oppositionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Das zeigt ja, dass die Europapolitik in Deutschland auch in dieser Frage auf einem breiten Fundament steht – und das ist ein Erfolg der Bundeskanzlerin. Deutschlandfunk: Nun ist die Eurokrise nur eines, das ganz große Thema, aber dahinter spielen sich noch andere Sachen ab: Das Betreuungsgeld ist nicht verabschiedet worden, das Wahlrecht ist vom Verfassungsgericht kassiert worden, bei der Vorratsdatenspeicherung geht es nicht weiter. Ärgert sie, wie viel der Koalition in Berlin misslingt? McAllister: Umgekehrt: Ich schaue mir immer das an, was gelungen ist in der Bundesregierung, und es wird nach wie vor eine Menge auf den Weg gebracht. Dass es in einer Koalitionsregierung in nicht einfachen Zeiten immer unterschiedliche Auffassungen gibt, ist nichts Ungewöhnliches, und dass man gelegentlich in einer Koalition auch über Sachfragen diskutiert – das würde ich nicht immer sofort als Streit oder als Zoff abtun. Die Punkte, die Sie konkret angesprochen haben, da wünsche ich mir insbesondere beim Betreuungsgeld, dass wir nun wirklich im Herbst zu einer Entscheidung kommen, damit dann auch die Beteiligten Klarheit haben. Das Gleiche gilt für die Vorratsdatenspeicherung wie für die Neuaufstellung des Wahlrechts. Das sind alles Probleme, die lösbar sind, aber sie sollten jetzt auch zügig und präzise dann auch vorgelegt werden. Deutschlandfunk: Sind das handwerkliche Schwächen in Berlin? McAllister: Ach, ich kann auch mit dem Vorwurf der handwerklichen Schwächen wenig anfangen. Schauen Sie mal, es ist in der Demokratie normal, dass man ein Problem analysiert, dass man anschließend zwei, drei, vier unterschiedliche Lösungsvarianten intern prüft und dass man sich dann für eine Lösung entscheidet. Durch die mediale Aufmerksamkeit, durch die 24 Stunden Berichterstattung ist der Hunger so groß nach einer kleinen abweichenden Meinung, um dann gleich wieder einen sogenannten Streit darzustellen – ich sehe das alles gelassener. Schauen wir doch am Ende mal, wie die Probleme gelöst werden. Meistens relativieren sich dann viele Aufgeregtheiten. Deutschlandfunk: Ich kann das verstehen, dass Sie als Wahlkämpfer das ein bisschen runterspielen wollen, Herr McAllister, aber – kleine Verzögerungen? Seit Jahren gibt es eine Auseinandersetzung über die Vorratsdatenspeicherung, seit Jahren wird das Betreuungsgeld angekündigt. Erwartet man da nicht von der Regierung ein bisschen mehr? McAllister: Beim Thema Vorratsdatenspeicherung gibt es nun mal unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionsfraktionen, zwischen CDU/CSU auf der einen Seite und FDP auf der anderen Seite. Das muss in der Tat irgendwann mal geklärt werden, die Bundesregierung arbeitet ja nach wie vor mit Hochdruck an diesem Thema. Das Wahlrecht ist ein sehr kompliziertes Thema, wo ja das Bundesverfassungsgericht jetzt auch erst mal um Entscheidungen gefragt werden musste. Nun haben wir Klarheit aufgrund des Urteils aus Karlsruhe. Also, es sind alles Probleme, die meines Erachtens lösbar sind, und sie haben auch keinen Einfluss auf die Landtagswahl in Niedersachsen. Deutschlandfunk: Um über Ihren Politikstil mal zu reden, Herr McAllister, in fünf Monaten wie gesagt die Landtagswahl in Niedersachsen: „Die Zeit“ nennt Sie den „Anti-Seehofer“. Ist das zutreffend? McAllister: Ich komme mit Horst Seehofer gut klar, wir sind regelmäßig in Kontakt und ich kann mit dieser Bezeichnung wenig anfangen. Deutschlandfunk: Ich glaube, die Kollegen meinen nicht, dass Sie etwas gegen Seehofer haben, sondern dass Sie völlig einen anderen Stil pflegen als er. McAllister: Also ich bin kein „Anti-Seehofer“, ich bin David McAllister, und ich habe einen bestimmten politischen Stil, wie jeder andere meiner Mitstreiter in Deutschland seinen eigenen politischen Stil auch fährt. Der David-McAllister-Stil ist sicherlich so richtig umschrieben, dass ich ein Ministerpräsident bin, der sich sehr um das Land Niedersachsen bemüht, der sich auf das Land Niedersachsen konzentriert, der aber dann in Berlin hellwach und präsent ist, wenn es darum geht, niedersächsische Belange konsequent durchzusetzen. Deutschlandfunk: Ihr Herausforderer von der SPD Stephan Weil hat jetzt ziemlich böse Worte über Sie gefunden, er hat Sie den „Wackel-Dackel auf der Hutablage der Kanzlerin“ bezeichnet. Sagen Sie Angela Merkel auch mal: ‚Das passt mir nicht, das will ich anders haben‘. McAllister: Meine britische Erziehung verbietet es mir, den politisch Andersdenkenden mit Tiernamen zu belegen, deshalb beteilige ich mich an einem solchen Niveau nicht. Ich glaube auch nicht, dass die Leute das in Niedersachsen wollen. Die Leute wollen, dass wir vernünftig miteinander umgehen, dass wir uns um die Sachen kümmern und dass wir gute Politik machen. Und deshalb werde ich auch nach wie vor meinen politischen Mitbewerber öffentlich nicht beschimpfen, auch wenn er diesen Fehler jetzt zum wiederholten Male tut. Deutschlandfunk: David McAllister, der niedersächsische Ministerpräsident, CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 20. Januar in Niedersachsen. Herr McAllister, schönen Dank für das Interview im Deutschlandfunk. Wiederhören! McAllister: Ja, bitte, gerne. Tschüss! Mit David McAllister sprach Friedbert Meurer. In: Deutschlandradio, 3.8.2012.