McAllister: „SPD und Grüne müssen endlich ihre Blockadehaltung im Bundesrat aufgeben“

21. Mai 2012

David McAllister im Interview

David McAllister im Interview

Die Landtagswahlen sind gelaufen. Ministerpräsident David McAllister fordert im Interview mit der WELT SPD und Grüne auf, endlich ihre verantwortungslose Blockadehaltung im Bundesrat aufzugeben. Denn Bund und Länder müssen im Interesse der Menschen einige strittige Themen abräumen. Im Fokus stehen der europäische Fiskalpakt, die Steuergerechtigkeit. Die Welt: Was war für Sie eigentlich der größte Schock: Die Pleite der Union in Nordrhein-Westfalen, Röttgens Entlassung oder ihr Untergang mit dem Drachenboot auf dem Zwischenahner Meer am vergangenen Dienstag?

David McAllister: Das Kentern des Drachenbootes haben wir nach einer Schrecksekunde alle mit Humor genommen. Das Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen ist nicht lustig. Es ist bitter.

Wie haben Sie denn von der Entlassung Norbert Röttgens aus dem Bundeskabinett erfahren?

Am Mittwochnachmittag – rund eine Stunde vor der offiziellen Bekanntgabe.

Und? Waren Sie überrascht?

Ja.

Mehr von der Tatsache oder mehr von der Brutalität, mit der die Kanzlerin ihren einstigen Vorzeigeminister gefeuert hat?

Die Bundeskanzlerin hat eine Entscheidung getroffen, die ich nicht zu kommentieren habe.

Sie sind ja einer der größten Unterstützer Angela Merkels. Auch bei diesem Schritt?

Und wenn Sie noch dreimal fragen. Ich werde diese Entscheidung nicht kommentieren.

Was war denn aus Ihrer Sicht der Grund für die Entlassung?

Angela Merkel wird sich nach mehreren Gesprächen mit Norbert Röttgen eine Meinung gebildet und dann eine Entscheidung getroffen haben. Die Kanzlerin trifft ihre Personalentscheidungen eigenverantwortlich. Sie sind selbstverständlich zu respektieren.

Was hat Röttgen unterm Strich falsch gemacht?

Norbert Röttgen hat als Bundesumweltminister die Voraussetzungen für die Energiewende in Deutschland mit vorbereitet. Er war ein Befürworter der erneuerbaren Energien, also eines Wirtschaftszweiges, der gerade bei uns im Norden von großer Bedeutung ist. Außerdem hat er maßgeblich die Bund-Länder-Beratungen über das geplante Endlagersuchgesetz vorangetrieben.

Also nichts falsch gemacht – trotzdem ist er raus.

Die Kanzlerin hat ihre Entscheidung getroffen, und sie wird ihre Gründe gehabt haben. Jetzt schauen wir nach vorne.

Peter Altmaier ist nicht gerade als Energie- oder Umweltexperte bekannt. Trauen Sie ihm den Job zu?

Peter Altmaier ist ein politischer Allrounder und als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit allen aktuellen Themen vertraut. Er spricht fließend englisch, französisch und niederländisch, ist auch international gut vernetzt. Er wird sich jetzt ganz schnell in die umweltpolitischen Details einarbeiten. Wir Niedersachsen stehen ihm dabei gerne unterstützend zur Seite.

Was muss er als erstes anpacken?

Das Megathema ist die weitere Umsetzung der Energiewende, insbesondere die Fragen des Netzausbaus, des Baus neuer Kraftwerke, der Speichertechnologie. Gerade beim Anschluss der Offshore-Windparks an das Stromnetz und dem Ausbau der Stromtrassen sind unkonventionelle Lösungen erforderlich, weil die Kapitalausstattung der Betreiber offensichtlich nicht ausreicht, um alle notwendigen Investitionen zu tätigen. Für uns in Niedersachsen ist ferner wichtig, dass wir beim Endlagersuchgesetz trotz des Ministerwechsels möglichst noch vor der Sommerpause zu einem parteiübergreifenden Konsens kommen. Eine dauerhafte Herausforderung bleibt die Asse. Das ist aus meiner Sicht das größte umweltpolitische Problem in Deutschland, wenn nicht sogar in Europa.

Sie sind jetzt der nächste CDU-Ministerpräsident, der sich einer Wahl stellen muss – im kommenden Januar. Was müsste sich im Bund bis dahin ändern, damit die Union nach Schleswig-Holstein und NRW nicht auch noch Niedersachsen verliert?

Bund und Länder sollten jetzt versuchen, einige strittige Themen im Interesse der Menschen und der Sache vom Tisch zu bekommen. Die Landtagswahlen sind gelaufen – SPD und Grüne müssen endlich ihre Blockadehaltung im Bundesrat aufgeben.

An welche Themen denken Sie?

Wir sollten endlich das Gesetz zur steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung beschließen. Es ist unverantwortlich, dass SPD und Grüne diese Maßnahme auch angesichts unserer gemeinsamen Klimaschutzziele blockieren. Das Handwerk wartet auf den Startschuss. Bei der „Kalten Progression“ und der Erhöhung des Grundfreibetrags gilt es Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen. Die muss die deutsche Politik umsetzen. Der Fiskalpakt sollte zügig vom Bundestag und Bundesrat ratifiziert werden, und zwar zusammen mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus. Beide Vorhaben sollten auch zeitgleich beraten und verabschiedet werden. Diese und weitere Themen könnte man im Vermittlungsausschuss gerne mit anderen Anliegen der Sozialdemokraten und der Grünen verbinden. Wir brauchen in den nächsten Wochen ein größeres Paket. Mit einzelnen Gesetzesvorhaben, seien sie noch so sinnvoll und durchdacht, kann man angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat derzeit nur bedingt was werden. SPD und Grüne handeln oft verantwortungslos. Das ist sehr schade.

Die Union verzichtet im Gegenzug auf das Betreuungsgeld?

Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen werden zum Betreuungsgeld noch vor dem Sommer einen konkreten Gesetzentwurf vorlegen. Warten wir doch jetzt einfach mal die Details ab.

Nochmal zurück ans Zwischenahner Meer: Sie sollen ja lauthals „Wir lagen vor Madagaskar …“ gesungen haben, bevor das Boot gekentert ist?

Während der Bootsfahrt haben wir viele schöne Lieder gesungen – auch das Niedersachsenlied. Als wir dann umgekippt sind, mussten wir erst mal sehen, dass wir in die Rettungsboote kommen. Danach haben wir weitergesungen.

Kommt die FDP in Niedersachsen inzwischen eigentlich auch auf dumme Gedanken? Ampel-Koalition und solche Dinge?

In Niedersachsen arbeiten CDU und FDP seit nunmehr neun Jahren harmonisch zusammen. Wir haben gemeinsame Inhalte vereinbart und setzen sie um. Und wir haben auch menschlich ein gutes Verhältnis. Wir regieren gerne zusammen…

… und gehen am Ende zusammen unter?

Dass ein geschätzter Redakteur einer Qualitätszeitung wie die „Welt“ sich dieses abgedroschenen Wortspiels tatsächlich bedient, hätte ich nicht vermutet. Unser Plan war doch vielmehr, der Öffentlichkeit zu beweisen, dass CDU und FDP in Niedersachsen sogar gemeinsam schwimmen können!

Man wagt es ja kaum zu fragen nach dem Vorlauf in NRW, aber: Stünden Sie denn nach einer möglichen Niederlage bei der Niedersachsenwahl im Januar als Oppositionsführer zur Verfügung?

Ich bin Ministerpräsident und möchte das bleiben. Punkt.

Das Interview führte Ulrich Exner. Mit freundlicher Genehmigung der WELT.