Parteibuchwirtschaft statt Steuerung: In der Regionalpolitik fehlt Rot-Grün jedes Konzept
Die Regionalpolitik sollte das Markenzeichen der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen werden, tönte der SPD-Kandidat Stephan Weil im Wahlkampf. Als Ministerpräsident gab er in seiner Regierungserklärung kein geringeres Ziel aus, als mit diesem Instrument die Folgen des demographischen Wandels zu bekämpfen. So mancher hat schon damals den Kopf geschüttelt, ob dieses doch allzu einfachen Weltbildes.
Nach einem Regierungsjahr ist klar: Die Regierung Weil/Wenzel hat gar kein Konzept für eine solche Regionalpolitik. Wie bei vielen anderen Projekten gilt auch hier: Den Mund voll genommen, dann nicht geliefert und sich schließlich an der Aufgabe verhoben.
Bei der Regionalpolitik brachte es der unabhängige Landesrechnungshof (LRH) im Haushaltsausschuss des Niedersächsischen Landtages auf den Punkt. Lutz Bardelle, als Senator und Abteilungsleiter des Rechnungshofs ein ausgewiesener Fachmann, kritisierte den Aufbau von vier neuen Landesämtern für regionale Entwicklung scharf als überflüssig und vermisst zudem eine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Besonders peinlich für Weil und Co ist, dass Bardelle stark bezweifelt, ob die neuen Ämter überhaupt die ihr zugedachte steuernde und koordinierende Wirkung entfalten können. Wie sollen sie auch, sie verfügen nicht über die Dienst- und Fachaufsicht.
Auch das Nebeneinander von Landesämtern und den neuen Landesbeauftragten sieht der Rechnungshof sehr kritisch. „Wir haben zunehmend unklare Verwaltungsstrukturen in Niedersachsen“, so Ministerialdirigent Lutz Bardelle. Er wies den Haushaltsausschuss darauf hin, dass wegen des Bevölkerungsrückganges bis 2018 6.500 Stellen in der Landesverwaltung eingespart werden müssten. Dies ist dann sinnvoll, wenn dafür die kommunale Ebene gestärkt wird und sie mehr Kompetenzen in der Bildungspolitik, der Struktur- und Wirtschaftsförderung sowie in der Regionalplanung erhält.
Doch der Ministerpräsident und ehemaliger Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover traut seinen früheren Kollegen diese Aufgaben offenbar nicht zu. Er zentralisiert Aufgaben und beschneidet kommunale Kompetenzen, statt diese zu stärken.
Bei dem Aufblähen der Landesverwaltung und bei der Bildung neuer Behörden schaffen SPD und Grüne neue Leitungsfunktionen und Pöstchen gezielt für Genossen und Parteifreunde. Ob Polizeipräsidenten, Chefposten des Verfassungsschutzes, Landesbeauftragte, neue Abteilungsleiter- oder Referatsleiterstellen – ohne ein rotes oder grünes Parteibuch haben unabhängige oder gar bürgerliche Bewerber selten eine Chance. Mit jedem Monat wird der rot-grüne Filz dicker. Parteibücher sind dieser Landesregierung wichtiger als eine erfolgreiche und partnerschaftliche Politik mit den Kommunen und eine gezielte Strukturpolitik. Diese Vetternwirtschaft beleidigt zugleich tausende loyale niedersächsische Staatsdiener.
Offenkundig wird die Konfusion der Landesregierung in der Regionalpolitik bei den aktuellen Fusionsdebatten im Braunschweiger Land. Innenminister Pistorius (SPD) hatte versucht, in Hinterzimmergesprächen mit Parteifreunden aus der Region die Interessen Braunschweigs, Wolfsburgs und Salzgitters gegeneinander auszuspielen, um die Machtposition seiner Partei zu stärken. Der Braunschweiger CDU-Landesvorsitzende Frank Oesterhelweg hat die SPD unlängst davor gewarnt, Absprachen zu treffen, um sich das Land zur Beute zu machen.
Pistorius ist mit seiner Hinterzimmer-Taktik auch deshalb gescheitert, weil ihr kein sinnvolles Konzept zugrunde liegt. Es gibt keinen offenen Dialog mit Vertretern aller Kommunen aus der Region. Das schürt Misstrauen. Und es gibt keinen Anreiz für die Landkreise in der Braunschweiger Region, sich zu beteiligen. Die Debatte wird über ihre Köpfe hinweg geführt. Jetzt rächt sich, dass Rot-Grün den Zukunftsvertrag mit den Kommunen hat auslaufen lassen, statt ihn weiterzuentwickeln oder wenigstens fortzuschreiben.
Der Innenminister steht in den Gesprächen mit leeren Händen da. Er müsste führen und moderieren, aber er kann es nicht. Denn er hat den Kommunen nichts zu bieten, um Nachteile aus einer Fusion oder Kooperation auszugleichen. Und er hat – wegen der wackeligen Einstimmenmehrheit im Landtag – auch nicht den Mut, die Fusionen per Gesetz durchzusetzen.
Was ist zu tun?
- Die Landesregierung muss schnellstmöglich Anreize für eine sinnvolle Zusammenarbeit oder Fusion von Kommunen schaffen – beispielsweise mit einem neuen Zukunftsvertrag.
- Sie muss in einem transparenten Verfahren führen und moderieren – also raus aus den Hinterzimmern und rein in den Dialog mit den Verantwortlichen aller Kommunen.
- Die Regierung muss eine konsequente Aufgabenkritik der Landesverwaltung durchführen, um schlankere und effizientere Strukturen zu schaffen.
- In diesem Zuge muss sie auch weitere Aufgaben auf die Kommunen verlagern – verbunden mit der notwendigen Finanzmittelausstattung.
- Den Aufbau von Doppelstrukturen, neuer Bürokratie und Parteibuchwirtschaft in der Landesverwaltung muss sie sofort beenden bzw. rückgängig machen.
Leider ist all dies nach den ersten Erfahrungen mit der Regierung Weil/Wenzel nicht zu erwarten. Den Schaden haben die Menschen in Niedersachsen. Denn die rot-grüne Planlosigkeit geht auf Kosten der Zukunft Niedersachsen. Unser Land hat Besseres verdient.