Rede von Ulf Thiele zum Entschließungsantrag der CDU-Landtagsfraktion: Strafen für Kinderpornographie verschärfen – Strafbarkeitslücken unverzüglich schließen!

27. Februar 2014

Rede von Ulf Thiele MdL Strafen für Kinderpornographie verschärfen – Strafbarkeitslücken unverzüglich schließen! – Antrag der Fraktion der CDU – Drs. 17/1216 Sehr geehrte Damen und Herren, zunächst darf ich mich für die sehr konstruktive Debatte unseres Entschließungsantrages bedanken, der zum Ziel hat, die Gesetzeslücken zu schließen, die im Fall Edathy ja offenkundig geworden sind. Es ist zu begrüßen, dass Bundesjustizminister Maas, ausgelöst durch diese Debatte, jetzt Überlegungen anstellt, das Strafrecht zu verschärfen. Die Behauptung der Regierungsfraktionen, die vorherige Bundesregierung sei Untätig gewesen, muss ich jedoch zurückweisen. Erinnert sei hier unter anderem an die Initiative „Löschen statt sperren!“, die darauf abzielt, kinderpornografische Inhalte im Internet zu löschen. Die jetzige Debatte um ein schärferes Strafrecht ist auch deshalb notwenig, weil der Fall Edathy dem Rechtsempfinden der Menschen eklatant widerspricht. Denn kein Mensch kann verstehen,

  • dass es legal sein soll, von      Verbrecherbanden Bilder und Videos nackter Jungs zu erwerben.
  • dass es nicht strafbar sein soll, wenn      Käufer dieses abstoßenden  Materials      die Machenschaften von Kinderpornoringen mitfinanzieren.
  • dass es legal sein soll, die      Persönlichkeitsrechte und die Seelen der betroffenen Kinder zur Befriedigung      der eigenen Lustgefühle zu verletzen.

So, wie der ehemalige Abgeordnete des Deutschen Bundestages Edathy dies getan hat! Natürlich ist es bedauerlich, dass es erst eines solchen Skandals bedarf, damit die §§ 184 b und 184 c StGB so reformiert werden, dass es keine Grauzone mehr gibt, bei der Bewertung Kinder- und jugendpornografischer Schriften Meine Damen und Herren, die bisherige Debatte heute zu diesem Tagesordnungspunkt ist mir, offen gesagt, zu defensiv. Der Fall Edathy spielt bei uns in Niedersachsen. Unsere Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden haben mit der hier beschriebenen Grauzone des Strafrechts, in der Herr Edathy sich zu verstecken versucht, zu tun. Wir führen hier in Niedersachsen die politischen Debatten und wir erleben das unglückliche Agieren der Justiz. Vor diesem Hintergrund kann es nicht die Rolle des Niedersächsischen Landtages und der Landesregierung sein, auf eine Lösung durch den Bund zu warten. Nein, Niedersachsen ist gefordert, diese Debatte aktiv selbst zu führen und die Erfahrungen unserer Behörden und die Erkenntnisse dieses Landtages konsequent – am besten auf dem Wege einer Bundesratsinitiative mit einem eigenen Gesetzgebungsvorschlag – in die Diskussion des Bundes einzubringen. Niedersachsen hat nach unserer Auffassung – auch und gerade wegen des Falls Edathy – bei dieser Frage eine besondere Verantwortung. Ich sage das auch mit Blick auf die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Hannover, deren Leitender Oberstaatsanwalt ja in seiner unglücklichen Pressekonferenz mehr als deutlich gemacht hat, wie schwer man sich mit der Beurteilung dieser Grauzone getan hat. Ich komme darauf gleich zurück. Zunächst möchte ich jedoch noch einmal auf die Debatte von gestern zurückkommen. Herr Ministerpräsident Weil, ich möchte Ihnen sagen, dass wir es begrüßen, dass Sie gestern – wenn auch spät – aber erstmals klare und eindeutige Worte der Distanzierung und der Verurteilung zu Herrn Edathy gefunden haben. Das war notwendig. Und es war richtig. Und ob sie, ob wir das nun wollen oder nicht, ist der Fall Edathy in den Augen vieler Menschen vor allem ein niedersächsischer Fall. Daher haben dieser Landtag und diese Landesregierung bei diesem Thema eine besondere Verantwortung. Dem sollten wir gerecht werden, und uns des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor Pornohändlern und ihren Zulieferern in besonderer Weise annehmen. Die Meinung der Experten zu der Notwendigkeit, die Grauzone aufzulösen, in der sich solche pornografischen Schriften bewegen, die nackte Kinder oder Jugendliche darstellen, sie aber nicht sexualisiert zeigen, ist einhellig:

  • Sabine Vogt, Chefin der Abteilung Schwere      und Organisierte Kriminalität im BKA: Die Erfahrung habe gezeigt, dass      Menschen, die Nacktaufnahmen von Kindern konsumieren, häufige auch harte,      illegale Fotos und Videos besäßen. (Spiegel 9/2014)
  • Burkhard Lischka, rechtspolitischer      Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: ‚So ist bei diesem Fall      beispielsweise sehr häufig die Rede davon, dass sich die Bilder, die Herr      Edathy offensichtlich bezogen hat, in einer sogenannten rechtlichen      Grauzone zur Kinderpornografie befinden. Das muss uns als Gesetzgeber ja      hellhörig machen: Grauzone! Ich finde, eine Grauzone ist, wenn es um den      Schutz unserer Kinder und Jugendlichen geht, nicht hinnehmbar.’ (Protokoll der 16. Sitzung des DBT am 19.2.2014)
  • Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des      WEISSEN RINGS ‚Am meisten zu bedauern ist angesichts der politischen Verwicklungen um      die Vorwürfe gegen den SPD-Politiker Edathy, dass die wahren Opfer, die      missbrauchten Kinder, aus dem Blick geraten. … Auch Posing-Aufnahmen      nackter Kinder, die auf den ersten Blick keine sexuellen Handlungen      zeigen, degradieren die Kinder zu Handelsware für bestimmte      Käufer-Gruppen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass solche Fotos straffrei      bleiben. Deshalb sind auch solche Bilder und Filme in den Straftatbestand      einzubeziehen.’ (Homepage Weißer Ring)
  • Thomas Schlingmann von der Berliner      Opferberatung Tauwetter: Legale Nacktbilder von      Heranwachsenden seien oft eine ‚Einstiegsdroge’ in die Szene. Vielen      Kindern sei während der Aufnahmen nicht bewusst, was mit ihnen geschehe.      Erst später begriffen sie, dass ihre Fotos im Internet Fremden als      Ornaniervorlage dienten. ‚Ich habe etliche Opfer daran zerbrechen sehn.’ (Spiegel 9/2014)
  • Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen      Kinderschutzbundes: Er fordert als Reaktion auf die      Affäre um den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy ein      Verbot des Verkaufs von Kinder-Nacktfotos. Es sei ein schwerer Verstoß      gegen die Menschenwürde, wenn Fotos von nackten Kindern vermarktet oder      gekauft würden, da diese nicht nach ihrem Einverständnis gefragt würden.      Kauf und Verkauf von Fotos mit nackten Kindern sollten deshalb generell      unter Strafe gestellt werden. Allerdings mahnt Hilgers zur Differenzierung: Man müsse ‚aufpassen, dass      man nicht Dinge kriminalisiert, die zum alltäglichen Leben gehören’, wie      etwa Fotos von Kindern am Strand, die von den Eltern gemacht würden. (tagesschau.de, 18.2.2014)
  • Johannes-Wilhelm Rörig,      Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung: Er fordert eine Verschärfung der      Gesetze. ‚Wenn Darstellungen von Kindern erzeugt werden, um sexuelle      Interessen von Erwachsenen zu befriedigen, muss dies im Sinne eines      besseren Kinderschutzes strafrechtlich sanktioniert werden.’ (Die Welt, 18. Febr. 2014)

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen, die Zielrichtung ist einhellig und eindeutig, die einschlägigen §§ 184 b und 184 c StGB so zu verschärfen, dass eine Diskussion, wie wir sie jetzt über Grauzonen im Fall Edathy führen müssen, zukünftig zum Schutz der Opfer nicht mehr möglich ist. Einig ist man sich aber auch darin, dass Eltern, die natürlich private Bilder und Filme ihrer Kinder besitzen, nicht kriminalisiert werden dürfen. Diese Differenzierung ist entscheidend. Wir fordern Sie daher zu folgenden Maßnahmen auf:

  1. Bringen Sie eine Bundesratsinitiative zur      Verschärfung der §§ 184 b und 184 c StGB auf den Weg. Mechthild Ross-Luttmann hat dies umfassend begründet. Und auf diesen Punkt zielt ja unser Entschließungsantrag. Thüringen hat eine solche Initiative bereits angekündigt. Eine gemeinsame,      abgestimmte Initiative der Länder halten wir für sinnvoll.
  2. Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang eine große Anhörung des Niedersächsischen Landtages zu dem Thema durchführen, in der
    1. das Schicksal der Opfer von Kinderpornografie, insbesondere mit Blick auf die genannte Grauzone, aufgezeigt wird,
    2. der Ausbau von Opfer-Hilfsprojekten besprochen wird,
    3. die Abgrenzung zwischen dem Handel solcher Nacktbilder und dem privaten Bereich diskutiert und
    4. konkrete Möglichkeiten der Neufassung des Strafrechts erörtert werden.
  3. Wir müssen auch die Diskussion führen, wie die Verbreitung kinderpornografischen Materials im Internet unterbunden bzw. deutlich erschwert werden kann. Denn mit der Verbreitung solcher Schmutzbilder im Netz sind die betroffenen Kinder dauerhaft und weltweit dem Zugriff ausgesetzt. Die Verletzung der Kinderseelen ist damit ebenso dauerhaft und unlöschbar. Den Schutz der Opfer im Internet müssen wir daher offen diskutieren. Wir fordern die Landesregierung auf, das Bündnis‚WHITE IT – alliance for children’ zu stärken. Die Initiative wurde 2009 in Berlin auf Initiative des damaligen Innenministers Uwe Schünemann gegründet. Es hat zum Ziel, Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet zu entwickeln.
  4. Herr Innenminister, bauen Sie die      ‚Onlinewache’ und die Personalkapazitäten der Ermittler der niedersächsischen Polizei gegen Kinderpornografie weiter aus. Sie bekämpfen schon heute sehr erfolgreich kinderpornografische Untriebe u.a. im Internet. Allerdings wurde in der Diskussion des Falls Edathy auch deutlich, dass der Polizei Kapazitäten fehlen, um der rasant wachsenden Verbreitung kinderpornografischer Materialien im Netz Herr zu werden.
  5. Lassen Sie uns – vor dem Hintergrund einer rasant anwachsender Zahl von Seiten kinderpornografischen Inhalts im Netz – ergebnisoffen auch den Vorschlag des Direktors der Landesmedienanstalt Andreas Fischer vom 11. Feb. 2014 prüfen, in Deutschland einen sogenannten Pornofilter nach britischem Vorbild      einzuführen. Lieber Kollege Gerald Heeren von den Grünen, ich fand es bedauerlich, dass      Sie – fast reflexhaft – diesen Vorschlag sofort mit dem Hinweis abgelehnt      haben, Provider seien keine Hilfssheriffs.
  6. Vor dem Hintergrund, dass am Fall Edathy bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Hannover nur ein ermittelnder Staatsanwalt gearbeitet hat, der zugleich auch noch der Pressesprecher der      Staatsanwaltschaft Hannover war, fordern wir die Landesregierung auf,      sicherzustellen, dass für Vorermittlungs- und Ermittlungsverfahren zu      kinderpornografischen Delikten ausreichend Fach-Staatsanwälte zur      Verfügung stehen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns aus dem Fall Edathy alle unsere Lehren ziehen. Wir müssen besser werden. Das gilt für das Strafrecht, für die Prävention, für den Opferschutz, für die Polizeiarbeit und für die Staatsanwaltschaft. Meine Damen und Herren, um der Glaubwürdigkeit in dieser Frage Willen ist es jetzt eben auch wichtig, alles zu tun, um den Fall Edathy aufzuklären. Und an dieser Stelle habe ich einen zentralen Widerspruch zu den Positionen von Herrn Tonne (SPD) und Frau Justizministerin Niewisch-Lennartz (Grüne), die gesagt haben, es sei jetzt die Aufgabe der Justiz, diesen Fall zu klären. Es ist eben nicht nur Sache der Justiz, das zu tun. Ich denke dabei insbesondere an die merkwürdige Rolle von Innenminister a.D. Bartling (SPD). Herr Bartling hat in einem NDR-Interview nicht nur erklärt, er wisse von Edathy, dass dieser einen Informanten hatte. Er hat außerdem den Eindruck erweckt, er wisse, wo Edathy sich aufhält. Herr Bartling muss jetzt Ross und Reiter nennen Er muss sein ganzes Wissen über den Informanten und über Edathys Aufenthaltsort jetzt endlich offenbaren. Und es ist doch offensichtlich vor allem an seinen Parteifreunden, jetzt den Druck auf Herrn Bartling so zu erhöhen, dass er sein gesamtes Wissen über Herrn Edathy, über den Informanten und über den Aufenthaltsort von Herrn Edathy preis gibt. Herr Edathy muss schnellstmöglich nach Niedersachsen zurückkehren und sich den Strafverfolgungsbehörden stellen. Der Informant hat ihm die Möglichkeit verschafft, Beweismittel zu vernichten und sich abzusetzen. Dieser Informant muss dingfest gemacht werden. Es muss höchste Priorität bei Ihnen haben, diesen Informanten zu finden. Also: bringen Sie Herrn Bartling dazu, dass er sagt, was er weiß! Herr Ministerpräsident, bei einem Fall dieser politischen Tragweite liegt die politische und persönliche Verantwortung für den weiteren Umgang mit dem Fall Edathy und die Aufklärung dieses Falls und seiner Umstände nicht nur bei der Justiz, sondern vor allem auch bei der SPD-Niedersachsen, bei dieser Landesregierung und vor allem bei Ihnen. Nehmen Sie diese Verantwortung an. – ENDE –