Straßenfeger aus Verden

6. Oktober 2012

Wenn die große Heidi Kabel als tratschsüchtige Frau Boldt im Treppenhaus wilde Gerüchte verbreitete, bogen sich die TV-Zuschauer in den deutschen Wohnzimmern der 1960er und 1970er Jahre vor Lachen. Was kaum einer weiß: Das Erfolgsstück des Hamburger Ohnsorg-Theaters wird bis heute von einem CDU-Mitglied aus Verden verlegt.

Theaterverlag Mahnke

Dierk und Maria Mahnke

Die Buchhandlung Mahnke hat Tradition. Wenn Inhaber Dierk Mahnke gefragt wird, in welcher Generation er das Unternehmen in Verden führe, rechnet er erst sicherheitshalber noch einmal nach. Fünf. Er ist der fünfte Mahnke, der die auf Schul- und Wissensliteratur spezialisierte Buchhandlung führt. Seine Tochter Maria wird die sechste Generation sein. Doch hinter den Verkaufsräumen der Buchhandlung verbirgt sich der wahre Schatz des Familienbetriebs: Der Theaterverlag Karl Mahnke. Hier reihen sich Regalmeter an Regalmeter „Speeldeels“ auf: Theaterstücke in plattdeutscher Sprache. Mahnke ist der größte Verlag für niederdeutsches Volkstheater. Über 1200 Stücke in der norddeutschen Mundart hat er bisher verlegt. Dazu kommen Stücke auf Westfälisch, Rheinisch und natürlich Hochdeutsch. Ob Volksbühne, Staatstheater oder Amateure: Alle beziehen ihre Stücke bei Mahnke. Der Kundenkreis erstreckt sich über ganz Deutschland sowie in die Schweiz, nach Österreich und die Niederlande. „Mit dem Ohnsorg-Theater kam nach dem Krieg der große Durchbruch“, erzählt Dierk Mahnke. „Sluderkraam in’t Treppenhuus“ hieß die Erfolgskomödie, die sein Vater Friedrich-Karl damals an die Hamburger Bühne verkaufte. Die Live-Übertragung am Silvesterabend 1966 mit Heidi Kabel, Erna Raupach-Petersen und Henry Vahl machte das Stück deutschlandweit bekannt – wenn auch in einer hochdeutschen Fassung mit dem  Titel „Tratsch im Treppenhaus“. Auch die Rechte an dieser Version liegen beim Theaterverlag Karl Mahnke. Das Ohnsorg gehört nach wie vor zu den Stammkunden. Ein anderer großer Volksschauspieler hat sich ebenfalls gern bei den Mahnkes bedient. Der große Willy Millowitsch hat die niederdeutschen Stücke gern in die kölsche Mundart übersetzt. Und auch er hatte seinen größten Erfolg mit einer Komödie aus Niedersachsen: „Der Etappenhase“ von Karl Bunje war die erste Live-Ausstrahlung eines Bühnenstücks im Fernsehen. Die als Ersatz für eine ausgefallene Sportübertragung gedachte Aufnahme machte das Millowitsch-Theater auf einen Schlag deutschlandweit bekannt. Dominik Paul, Büroleiter von CDU-Generalsekretär Ulf Thiele und ein echt kölsche Jung, berichtet: „Das Stück kennt in Köln jedes Kind.“ Die Fernsehübertragungen aus dem Ohnsorg- und dem Millowitsch-Theater waren von den 50ern bis in die 70er Jahre in Deutschland echte Straßenfeger. Sie erreichten Einschaltquoten bis zu 88 Prozent. Ein Teil des Erfolgs gehört bis heute dem Theaterverlag Mahnke aus Verden. Dieser Text erschein erstmals in Ausgabe 3.2012 des CDU-Mitgliedermagazins profil.