Was ist konservativ? – „Berliner Kreis“ schwächt die Konservativen

14. Februar 2012

Generalsekretär Ulf Thiele MdL

Generalsekretär Ulf Thiele MdL

Jetzt gründen „die Konservativen“ in der CDU also einen Kreis. „Berliner Kreis“ soll er heißen, also in Berlin – heißt wohl für die Hauptstadtmedien wahrnehmbar – konservative CDU-Positionen diskutieren und vertreten. Er soll ihre Position stärken. Aber er wird sie schwächen! Denn dieser Kreis kann diejenigen in der CDU, die konservative Positionen selbstbewusst vertreten, schnell auch isolieren. Dem Kreis kann die Quadratur des Kreises kaum gelingen, wertkonservative, strukturkonservative und nationalkonservative Positionen dauerhaft, konfliktfrei und glaubhaft zu bündeln. Viele Christdemokraten sehen sich nach meiner Wahrnehmung nämlich nicht als Konservative im Sinne einer ideologischen Geisteshaltung sondern definieren mit diesem Begriff ihre pragmatische, abwägende und werteorientierte politische Grundhaltung. Das Ergebnis ist vorhersehbar: Viele unserer Mitglieder, die ihre politische Einstellung als christlich-konservativ verorten, werden sich von diesem „Berliner Kreis“ nicht vertreten fühlen – weil er sie nicht vertreten kann. Konservative Positionen wurden in der Union übrigens immer dann wahrnehmbar und stark vertreten, wenn sich starke Persönlichkeiten für sie einsetzten. Alfred Dregger, Erwin Teufel und Uwe Schünemann sind Beispiele für Politiker dieses Schlages. Sie überzeugten durch ihr Format und durch ihr Wort. Auf Netzwerke oder Flügel-Kreise waren sie nicht angewiesen. Auch aus dieser Perspektive betrachtet ist die Gründung des „Berliner Kreises“ ein Zeichen von Schwäche, nicht von Stärke. Mir persönlich erschließt sich bisher nicht, ob und wie alle drei der genannten Hauptströmungen ihren Platz in diesem Kreis „Konservativer“ finden sollen. Und was macht ein CDU-Mitglied, das sich als konservativ definiert, jedoch mit dem „Berliner Kreis“ nichts am Hut hat? Diese Frage würde immer dann spannend, wenn ein wertkonservativer Christdemokrat außerhalb des Kreises sich deutlich wahrnehmbar gegen die strukturkonservative Position eines Sprechers des Kreises stellte. Der „Berliner Kreis“ steht von Anfang an vor diesem Dilemma. Schon aus diesem Grund kann ich denjenigen politischen Linken, die jetzt auf eine Spaltung, Lagerbildung oder gar eine konservative Parteineugründung und darauf zählen, dass CDU und CSU durch die Gründung des Kreises geschwächt werden könnten, diesen Zahn gleich wieder ziehen. Denen, die den Kreis initiiert haben, empfehle ich, den Weg der organisierten Ratlosigkeit frei nach dem Motto „… und wenn Du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen (Arbeits-)Kreis …“ noch einmal zu hinterfragen und die direkte Diskussion mit offenem Visier zu suchen. Nicht in Form ideologischer Grundsatzdebatten, sondern zu den Fragen unserer Zeit. Folgen der Globalisierung und des demografischen Wandels für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, Bewahrung der Schöpfung, Armutsbekämpfung, die Ausrichtung und mögliche Überforderungen unserer sozialen Sicherungssysteme, Zuwanderung und Integration, Veränderungen der Familienstrukturen, Anforderungen an unsere Bildungs- und Betreuungssysteme, das Abwägen von Beschränkungen individueller Freiheitsrechte in den elektronischen Medien gegen die Schutzrechte des Individuums und der Gemeinschaft … An Themen die wir Christdemokratischen auch und gerade aus konservativer Sicht beleuchten können, ja sogar müssen, mangelt es wahrlich nicht. Jeder Konservative ist daher aufgerufen, dies auch zu tun. Mit dem Gewicht seines Wortes, der Kraft seiner Argumente und der Autorität seiner Glaubhaftigkeit.