Biedenkopf: Würde des Menschen ist der Fixpunkt, an dem sich der Kompass unseres Wertesystems ausrichtet
CDU in Niedersachsen diskutiert über Kirche, Staat und Werte HILDESHEIM. Im Rahmen ihrer Grundsatzprogrammdebatte lud die CDU in Niedersachsen am (gestrigen) Montag zum Zukunftsforum „Kirche, Staat und Werte“ in das Dommuseum in Hildesheim ein. Experten, Mitglieder und Interessierte aus ganz Niedersachsen diskutierten mit einem hochkarätig besetzten Podium, dass die CDU eingeladen hatte:
- Prof. Dr. Kurt Biedenkopf, ehem. sächsischer Ministerpräsident und langjähriger Generalsekretär der CDU Deutschlands
- Ralf Meister, Landesbischof der ev.luth. Landeskirche Hannover
- Dr. Hans-Jürgen Marcus, Diözesan-Caritasdirektor für die Diözese Hildesheim
- Michael Fürst, 1. Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Hannover K.d.ö.R.
- Yilmas Kiliç, Vorsitzender der Religionsgemeinschaft DITIB Niedersachsen und Bremen e.V.
- Björn Thümler MdL, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag.
„Für die Grundsatzprogrammdebatte der CDU in Niedersachsen haben wir heute sehr wichtige Hinweise bekommen. Wir werden die Textentwürfe daraufhin prüfen, ob wir dem Subsidiaritätsprinzip ausreichend Raum geben, also der Verantwortung des Einzelnen, der Einzigartigkeit des einzelnen Menschen, die Freiheit des Einzelnen und daraus abgeleitet die Frage, welchen Machtanspruch gegenüber den Bürgern haben die Institutionen in unserem Land Niedersachen zu Recht und welche haben sie zu Unrecht entwickelt. Wir wollen einen dienenden Staat und keinen herrschenden Staat! Zweitens müssen wir deutlich machen, dass wir das „C“ in unserem Parteinamen als Einladung an alle Menschen verstehen, die unseren Wertekanon teilen, jenseits konfessioneller Grenzen. Und wir haben verstanden, dass wir unsere Werte, die unseren Entscheidungen zugrunde liegen, besser erklären müssen. Bzgl. der diskutierten Vereinbarung zwischen dem Land Niedersachsen und den muslimischen Verbänden haben wir heute eine Botschaft an die rot-grüne Landesregierung. Wenn man erreichen will, dass das Parlament mit breiter Mehrheit einer Vereinbarung mit den muslimischen Verbänden zustimmen soll, dann wäre es klug, wenn auch das Parlament verhandeln kann. Bisher hat nur die Landesregierung, die von zwei Parteien getragen wird, verhandelt“, fasste Generalsekretär Ulf Thiele die breite und intensiv geführte Diskussion zusammen. Zu Beginn der Debatte machte der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf deutlich, dass es nicht nur darauf ankommt, über Werte zu diskutieren, sondern vor allem, dass diese auch in der Praxis anzuwenden sind: „Eine Diskussion über Werte ist einfacher, als deren konkrete Anwendung. In den Programmen der Parteien fehlen regelmäßig Versuche, die Umsetzung der Werteentscheidungen in politisches Handeln zu konkretisieren“. Ausgangspunkt sollte bei der politischen Verwirklichung der Werte nicht nur der christlich fundierte Wertekanon sein. Ebenso wichtig – und im Sinne einer säkularen Begründung bedeutsam – seien die Wertentscheidungen unserer Verfassung, des Grundgesetzes. Mit Artikel 1 statuiere es den von Konfessionen unabhängigen „Schlüsselwert“ mit dem Satz: `Die Würde des Menschen ist unantastbar.` „Dieser Norm sind alle weiteren konkreten Werteentscheidungen in dem Sinne verpflichtet, dass sie ihr nicht widersprechen dürfen. Denn Artikel 1 des Grundgesetzes enthält eine direkt anwendbare Verfassungsnorm. Diese Norm ist der Fixpunkt, an dem sich der Kompass unseres Wertesystems ausrichtet – gleich, ob es sich um säkulare oder religiös begründete Werte handelt“, erklärte Kurt Biedenkopf, der von 1973 bis 1977 auch Generalsekretär der CDU Deutschlands war. Björn Thümler, Vorsitzender der CDU Landtagsfraktion, ergänzte in der Debatte um das christliche Menschenbild und die Umsetzung in der Praxis: „Das „C“ im Namen der CDU ist ein verbindendes Element aus unserer Geschichte heraus, dies müssen wir stärker in den Vordergrund stellen und nach außen transportieren. Dies bedeutet auch, dass wir noch mehr auf andere Bevölkerungsteile zugehen müssen“, so Björn Thümler. Auch das Handeln der Bundeskanzlerin sei aus einer tiefen christlichen Prägung heraus begründet. Die Flüchtlingspolitik wurzele in der Überzeugung, „dass wir diesen Menschen helfen müssen, weil ihnen sonst nicht geholfen wird.“ Es müsse längerfristig darum gehen deutlich zu machen, dass das, was wir Sonntags in Predigten hören, auch tatsächlich gelebt werde. „Deswegen bin ich sehr dankbar, dass ehrenamtliche Helfer sich überall in Niedersachsen so engagiert einbringen“. In der Diskussion um das Verhältnis zwischen Staat und Kirche herrschte Einigkeit, dass die Staatsverträge weiterhin sinnvoll und zeitgemäß sind. Bischof Ralf Meister sagte: „Wir haben in Niedersachsen eine vorbildliche Situation mit den Staatsverträgen. Die Loccumer-Verträge waren beispielhaft für die Neujustierung zwischen Staat und Kirche. Damit sollte ein konstruktives, aber neutrales Verhältnis zu den großen Religionsgemeinschaften aufgebaut werden, in Respekt vor der jeweiligen Aufgabe.“ Zu der aktuell diskutierten Vereinbarung zwischen den muslimischen Verbänden und dem Land Niedersachsen erklärte Björn Thümler: „Uns missfällt, dass die rot-grüne Landesregierung Dinge in den Vertragstext hineinschreiben will, die selbstverständlich sind. Die Werte des Grundgesetzes gelten für alle Menschen, die in Deutschland leben, und bedürfen keiner Festschreibung in einem Vertrag.“ Der CDU-Fraktionschef kritisierte Rot-Grün ferner dafür, dass vorgesehen sei, geplante Gesetzesänderungen in dem Vertrag festzuschreiben. Als Beispiel nannte er die Bestattungskultur. „Das Ansinnen, muslimischen Mitbürgern die Möglichkeit zu geben, sich in ihrer deutschen Heimat beerdigen zu lassen, halte ich für sehr nachvollziehbar. Über die genaue Ausgestaltung wird jedoch im Niedersächsischen Landtag zu reden sein. Gesetze kann nur das Parlament ändern und nicht die Landesregierung in einer Vereinbarung“, sagte Björn Thümler. Über die Inhalte des geplanten Vertrags erwartet Thümler für die kommenden Monate eine breite Debatte in Parlament und Gesellschaft. Dabei würden auch strittige Fragen wie die Einrichtung von Gebetsräumen in Schulen eine Rolle spielen. Prof. Kurt Biedenkopf sagte zu den Staatsverträgen sehr deutlich: „Es ist nicht der Staat, der diese Verträge macht. Es sind die Parlamente. Das ist ein großer Unterscheid. Denn in den Parlamenten sitzen die Vertreter des Volkes und das Volk muss diese Verträge mittragen. Ein Fundament, das auf diese Weise zustande kommt, ist in der Regel belastbarer, als eine abstrakte und in ihrer freiheitlichen Dimension schillernde Beschreibung der Instanz wie ´der Staat´.“ Bilder der Veranstaltung finden Sie hier: Bilder Zukunftsforum Kirche Staat Werte