Ministerpräsident David McAllister MdL
Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister spricht im Interview mit Ulrich Exner und Per Hinrichs von der Zeitung DIE WELT über Geschenke im Amt, die Energiewende und seine erfolgreiche Landesregierung.
Der Ministerpräsident betritt das Büro, das früher Christian Wulffs Büro war, mit einem eher unfrohen Gesicht. Das mag an seinem Steißbein liegen, das er sich vor zwei Wochen beim Spielen mit den Töchtern verletzt hat. Ganz sicher liegt es aber auch daran, dass die Politikerdisziplin „Interviewgeben“ derzeit nicht zu McAllisters Lieblingsbeschäftigungen zählt. Er will nämlich eigentlich nicht über den Bundespräsidenten sprechen. „Aus Respekt vor dem Amt.“ Andererseits bestimmt das Thema den Tagesablauf in seiner Staatskanzlei schon seit Wochen. Der Landtag, die Journalisten, die Staatsanwälte, Berlin – sie alle wollen wissen, was da los war in Wulffs Büro, das jetzt McAllisters ist. Neue Bilder hängen an der Wand, ansonsten hat sich wenig geändert. Ein großer Schreibtisch links, Niedersachsen-, Deutschland- und Europafahne in der Mitte vor dem Fenster, eine Sitzecke rechts. McAllister legt sich vor dem Gespräch ein Schonkissen unter. Dann geht es los.
Welt Online: Herr McAllister, worunter leiden Sie mehr: Unter den beinahe täglichen Christian-Wulff-Schlagzeilen oder unter ihrer Verletzung?
David McAllister: Der Anbruch des Steißbeins ist eine schmerzhafte Erfahrung.
Welt Online: Wie konnte das passieren?
McAllister: Spielscheune in Otterndorf. Zwei tobende Töchter mit dem Wunsch, dass der Papa sich auch mal auf die Riesenrutsche wagt.
Welt Online: Sah bestimmt komisch aus.
McAllister: Weiß ich nicht. Ich bin unten komisch gelandet.
Welt Online: Die Kinder haben gelacht?
McAllister: Die haben das erst gar nicht mitbekommen.
Welt Online: Und dann? Gleich zum Arzt?
McAllister: Erst zwei Tage später nach dem Energiegipfel in Hannover. Danach habe ich es nicht mehr ausgehalten.
Welt Online: Zwei Tage lang die Zähne zusammengebissen?
McAllister: Ja. Zähne zusammenbeißen. Weitermachen.
Welt Online: Da haben Sie ja gerade Übung.
McAllister: Wir in Niedersachsen sind gut drauf: sturmfest und erdverwachsen.
Welt Online: Wie schwer fällt es Ihnen, die Nachwirkungen der Amtsführung Ihres Vorgängers und heutigen Bundespräsidenten kommentarlos hinzunehmen?
McAllister: Aus Respekt vor dem Amt und der Verfassung beteilige ich mich – wie viele andere auch – grundsätzlich nicht an der öffentlichen Debatte über den Bundespräsidenten.
Welt Online: Ihr Wirtschaftsminister Jörg Bode fragt sich, warum in aller Welt Christian Wulff Ihnen das alles antut. Haben Sie eine Antwort?
McAllister: Aufgabe der Landesregierung ist es, den Sachverhalt lückenlos aufzuklären, alle parlamentarischen Anfragen und alle Medienanfragen zu beantworten und die Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen zu unterstützen. Außerdem gibt es eine von uns angeregte Sonderprüfung des Landesrechnungshofs in Sachen „Nord-Süd-Dialog“. Wir haben nichts zu verbergen und …
Welt Online: …
sind hart im Nehmen?
McAllister: … tragen mittlerweile seit acht Wochen aktiv zur Klärung des Sachverhalts bei. Und das werden wir auch weiterhin tun.
Welt Online: Warum haben Sie den „Nord-Süd-Dialog“ abgeschafft?
McAllister: Es geht nicht ums Abschaffen. Vielmehr bin ich gefragt worden, ob ich die Schirmherrschaft meines Amtsvorgängers fortsetzen wolle.
Welt Online: Wer hat Sie gefragt?
McAllister: Mein Regierungssprecher hat mich informiert, dass der Eventmanager Manfred Schmidt angefragt habe. Meine Antwort war, dass ich für eine weitere Auflage dieser Veranstaltung als Schirmherr nicht zur Verfügung stünde.
Welt Online: Wäre Ihnen so ein Rummel unangenehm?
McAllister: Der „Nord-Süd-Dialog“ hatte seine Zeit. Er war auch anfangs gut für Niedersachsen. Die dritte Auflage hatte aber ein Ausmaß, das nicht mehr als typisch niedersächsisch bezeichnet werden kann.
Welt Online: Hat Herr Schmidt Sie noch nach weiteren Veranstaltungen gefragt?
McAllister: Es gab noch eine Anfrage wegen eines sogenannten Sachsen-Gipfels, gemeinsam mit den Ländern Sachsen-Anhalt und Sachsen. Aber das wollte ich auch nicht.
Welt Online: Sie sind jetzt seit 19 Monaten Ministerpräsident. Wurden Ihnen schon häufig Vergünstigungen angetragen?
McAllister: Nach Redeauftritten erhalte ich regelmäßig Geschenke. Die kommen in den Fundus der Staatskanzlei. Geschenke unter zehn Euro Wert darf ich behalten. Weinpräsente werden gesammelt und ausgeschenkt, wenn wir in der Staatskanzlei Veranstaltungen haben. Das ist alles gut geregelt.
Welt Online: Freikarten? Urlaube?
McAllister: Wir wohnen glücklicherweise in einer Region, wo andere Menschen Urlaub machen. Andere Urlaubsangebote haben für mich daher wenig Reiz. Wenn ich dienstlich Einladungen zu Kulturveranstaltungen bekomme, gehe ich da auch hin, falls es mein Terminkalender zulässt. Außerdem war ich zwei- oder dreimal bei Hannover 96. Da muss ich jeweils ein Formblatt unterschreiben, in dem ich bestätige, dass ich mich durch die Einladungen in meiner unabhängigen Amtsführung nicht beeinträchtigt fühle. Das wird also genau festgehalten. Alles wird transparent gemacht. Und an diese Regeln halte ich mich.
Welt Online: Ministerpräsidentenrabatt beim Autokauf?
McAllister: Wir fahren schon seit 2004 einen VW Touran. Den habe ich in Bad Bederkesa beim VW-Händler bestellt und mit meiner Frau in der Autostadt in Wolfsburg abgeholt.
Welt Online: Als Sie Ihr Haus gebaut haben – wie haben Sie es finanziert?
McAllister: Das ist Privatangelegenheit. Es ist bekannt, dass ich Kunde bei der Volksbank bin. Und damit ausnahmsweise sogar Genosse, denn bei der Volksbank Cuxland/Bremerhaven eG habe ich einen Genossenschaftsanteil.
Welt Online: Ihr Kompass ist da offenbar sehr stabil. Unterscheidet Sie das von Ihrem Vorgänger?
McAllister: An dieser Debatte beteilige ich mich nicht.
Welt Online: Oder ist an allem nur der Glaeseker schuld?
McAllister: Olaf Glaeseker war ein langjähriger Mitarbeiter von Partei und Regierung in Niedersachsen. Er ist ein erfahrener Journalist und hatte maßgeblichen Anteil an einer guten Präsentation der Landespolitik und des Ministerpräsidenten. Es ist allerdings festzustellen, dass er in Teilbereichen eine unorthodoxe Arbeitsweise hatte. Ob das strafrechtlich relevant ist, wird die Justiz entscheiden.
Welt Online: In knapp einem Jahr wird in Niedersachsen gewählt. Verhagelt Ihnen das Thema Wulff den Wahlkampf?
McAllister: Nein. Wir dringen mit unseren zentralen politischen Themen inzwischen wieder gut durch. Die Menschen wissen, dass es wichtigere Themen gibt. Die Landesregierung hat kürzlich ihr Energiekonzept vorgelegt und viel Lob dafür bekommen. Wir werden im April das Demografiekonzept vorlegen. Wir planen den weiteren Ausbau unserer Infrastruktur und arbeiten an der Aufnahme der Schuldenbremse in die Niedersächsische Verfassung. Wir machen unsere Arbeit und sind auf einem guten Weg.
Welt Online: Wenn es für Schwarz-Gelb nicht wieder reicht – stünden Sie für eine schwarz-grüne Koalition zur Verfügung?
McAllister: Wir arbeiten sehr gut mit der FDP zusammen. Es passt politisch und menschlich. Warten wir mal das Wahlergebnis in Schleswig-Holstein ab – die FDP hat in diesem Jahr die Chance aufzuholen. Im Wahlkampf werben wir als CDU für unsere politische Überzeugung und unser Programm. Eine stabile Regierung gibt es in Niedersachsen nur mit der CDU.
Welt Online: Haben Sie dennoch einen Rat, wie die Liberalen aus dem Drei-Prozent-Getto herauskommen?
McAllister: Einheitlich auftreten. Öffentlich an einem Strang ziehen. Sich gegenseitig unterstützen – jeder in seiner Funktion. Sich auf liberale Schwerpunktthemen konzentrieren: Wachstum, Arbeit, stabile Finanzen, Infrastrukturausbau, generationengerechte Sozialversicherungssysteme.
Welt Online: Vielleicht sollten Sie Ihren Freund Philipp Rösler häufiger anrufen.
McAllister: Der kommt schon so zurecht. Das wünsche ich ihm sehr. Der Wechsel von der Landes- in die Bundespolitik ist immer ein großer Schritt.
Welt Online: Und manche scheitern.
McAllister: Jedenfalls habe ich vor allen Respekt, die diesen Schritt wagen.
Welt Online: Für Ihr Renommierprojekt, die Energiewende, wären die Grünen ein idealer Partner, oder?
McAllister: Die Energiewende ist die größte politische und wirtschaftliche Herausforderung seit der Wiedervereinigung. Niedersachsen wird Energieland Nummer eins. Wir wollen, dass die Energiewende gelingt. Und gerade deshalb stört es mich, dass bei unseren politischen Mitbewerbern zu viele unterwegs sind, die mir jeden Tag erklären, was alles nicht geht. Man kann nicht gleichzeitig gegen die Kernenergie sein, gegen den Bau neuer Kohle- und Gaskraftwerke, gegen den Bau weiterer Biogas- und Windkraftanlagen – und sich auch noch gegen den notwendigen Netzausbau stellen. Diese Dagegenhaltung macht doch die Grünen völlig unglaubwürdig.
Welt Online: Ist denn seit der Energiewende vor zwölf Monaten schon ein Kilometer neue Stromtrasse gebaut worden?
McAllister: Nein, das war allerdings auch nicht zu erwarten. Die Trasse für die Höchstspannungsleitung Wahle-Mecklar wird weiter geplant, das Raumordnungsverfahren ist abgeschlossen. Es liegen mehr als 16.000 Einwendungen vor, die wir abarbeiten müssen. Die Herausforderung beim Netzausbau ist: Wir müssen die Verfahren beschleunigen – und gleichzeitig die Bürger mehr und besser beteiligen.
Welt Online: Eine kleine Zwischenbilanz des Ministerpräsidenten. Hand aufs Herz: Sind Sie glücklich?
McAllister: Ja.
Welt Online: Was sind Ihre größten Erfolge?
McAllister: Die Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2012/13 mit deutlich weniger neuen Schulden, die Wirtschaft wächst – Niedersachsen hat die wenigsten Arbeitslosen seit 20 Jahren. Hinzu kommt: die erfolgreiche Einführung der neuen Oberschule, die aktive Beteiligung Niedersachsens an der Energiewende und die Chance zum Neuanfang bei der Endlagersuche.
Welt Online: Ihr größter Misserfolg?
McAllister: Das mögen andere beurteilen.
Welt Online: Worüber haben Sie sich am meisten gefreut?
McAllister: Über den andauernden wirtschaftlichen Erfolg von Volkswagen und die positive Entwicklung in der Ernährungswirtschaft. Und dass es gelungen ist, Alstom in Salzgitter zu halten. Das ist für unser Land sehr wichtig!
Welt Online: Was hat Sie denn am meisten geärgert?
McAllister: Manchmal betrüben mich die sehr heftigen und persönlich verletzenden Debatten im Landtag. Einen harten, aber fairen Streit in der Sache finde ich besser.
Welt Online: Was machen Sie heute in einem Jahr?
McAllister: Dann sitze ich hier im Büro und feile an meiner Regierungserklärung.
Welt Online: Falls es am 20. Januar 2013 nicht reicht für eine Wiederwahl – was machen Sie dann?
McAllister: Auf hypothetische Fragen gebe ich keine Antwort.
Welt Online: Letzte Frage: „Der Anschein von Korrumpierbarkeit, von Abhängigkeiten, von Sponsoring von Politik und Politikern muss unbedingt vermieden werden.“ Von wem stammt dieser Satz?
McAllister: Das klingt nach Hans-Herbert von Arnim.
Welt Online: Stammt aber nicht von diesem Juristen, sondern von Christian Wulff, anno 1999. Stimmen Sie zu?
McAllister: Ja!